5. SONNTAG DER OSTERZEIT

 

Evangelium nach Johannes (13,33-35)

 

Es klingt wie der letzte Wunsch in einem Testament, wie die Zusammenfassung einer grundsätzlichen, hoffnungsvollen Erwartung: „Ihr sollt einander lieben, wie ich euch geliebt habe! Das ist mir das Allerwichtigste“, sagt Jesus zu seinen Freunden. „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“

Liebe als Merkmal, als Kennzeichen der Christen. Es ist das alles Entscheidende. D.h.: Wenn uns das nicht kennzeichnet, sind wir am falschen Weg, sind wir keine echten Christen.

 

Sein zwar kurzes, aber sehr intensives Leben lang, hat Jesus im Grunde genommen nichts anders getan, als durch seine Worte und Taten die Zuneigung und die Liebe von Gott zu uns gezeigt und spürbar gemacht. Wenn Gott die Liebe ist, wenn wir nach seinem Ebenbild erschaffen sind, dann muss Liebe uns kennzeichnen, unser tiefstes, innerstes Wesen ausmachen. Jesus wollte uns befreien von unserer Angst um uns selbst, Angst zu kurz zu kommen. Erlöst von der Angst, zur Liebe befreit! Wir werden ja bedingungslos von Gott geliebt.

 

Aber was heißt das? Liebe hat viele Gesichter: Liebe zwischen Ehepartnern, zwischen Geschwistern, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Freunden und Freundinnen... Und trotzdem liegt allen diesen Formen der Liebe eine Grundform zu Grunde, etwas, das sie alle gemeinsam haben und was sie zu echter Liebe macht. Es ist keine Gefühlsduselei, sondern eine tiefe, innere Einstellung, aus der wir leben und die unsere ganze Lebensweise prägt. Es geht darum, von vornherein, ohne Gegenleistung zu erwarten, auf das Wohl des anderen zu schauen und dieses Wohl auch durch Wort und Tat, dort wo man es kann, zu fördern. Lieben heißt: Sehen, was der andere braucht, auf sein Wohlergehen bedacht sein. Ich möchte, dass es ihm gut geht.

 

„Einander lieben“ heißt dann: füreinander Zeit haben, einander zuhören, anschauen; sehen, was der andere braucht; Herzlichkeit; beisammen sein, Gemeinschaft; sich öffnen; geben und nehmen, ohne zu rechnen; sich von der Not anderer im Herzen bewegen lassen; Mitleid haben; tatkräftig helfen, wo es nötig ist; einander verteidigen und ermutigen; partnerschaftlich und nie herablassend sein; nicht das Negative, sondern das Positive von einander hervorheben... Liebe ist immer konkret und nicht ein schwärmerisches Gefühl.

 

Eine Pfarrgemeinde, dieser Lebensraum von Christen, sollte im Grunde genommen eine „Schule der Liebe“ sein. Aber wenn wir nur zusammenkommen aus Gewohnheit und Pflicht, wenn wir in der Sonntagsmesse nur beisammen sind, ohne einander zu kennen, einander gleichgültig sind, oder sogar mit Streitigkeiten untereinander, da enttäuschen wir Jesus, beantworten wir nicht seine Erwartungen an uns. Unsere größte Schuld, unser größte Sünde ist meistens, dass wir zu wenig lieben.

 

„Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ Davon hängt das Gelingen unseres Lebens als Christen ab. Ohne diese Liebe ist unser Leben arm und leer. So hat es einer zusammengefasst:

„Pflicht ohne Liebe macht verdrießlich

Verantwortung ohne Liebe macht rücksichtslos

Gerechtigkeit ohne Liebe macht hart

Erziehung ohne Liebe macht widerspruchsvoll

Freundlichkeit ohne Liebe macht heuchlerisch

Ordnung ohne Liebe. macht kleinlich

Sachkenntnis ohne Liebe macht machthaberisch

Macht ohne Liebe macht gewalttätig

Ehre ohne Liebe macht hochmütig

Besitz ohne Liebe macht geizig

Glaube ohne Liebe macht fanatisch

Ein Leben ohne Liebe ist sinnlos.

Alles, was wir sagen und tun, soll also mit Liebe geschehen.

„Liebt einander, wie ich euch geliebt habe“, fordert Jesus uns auf.

 

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